Auto-Erinnerungen

Citroën BX 4TC — der vergessene Gruppe-B-Bolide

Mit dem Citroën BX 4TC wollte Citroën 1986 seinen ramponierten Ruf in der Rallye-Weltmeisterschaft retten. Das Projekt war ein Fiasko. Der sportliche BX war auf dem Parkett der Weltmeisterschaft völlig überfordert. Nur die Umstände des Jahres 1986 sorgten dafür, dass der Allrad-BX in Vergessenheit geriet.

Audi Sport quattro S1, Lancia 037 Rally, Lancia Delta S4, Peugeot 205 Turbo 16, MG Metro 6R4 oder Ford RS200 fast jeder. Auch die Toyota Celica Twincam Turbo TCT gewann 1986 zwei Läufe zur Rallye-Weltmeisterschaft. All sie sind, obwohl die FIA die Gruppe B schon 1986 in den Ruhestand schickte, in den Herzen der Motorsport-Fans unsterblich. An den Citroën BX 4TC erinnern sich nur wenige Fans. Das überrascht, weil auch der Franzose ein typischer Vertreter der Gruppe B ist. Doch der Citroën BX 4TC betrat erst im Unglücksjahr 1986 die Bühne der Rallye-Weltmeisterschaft.

Seitenansicht des Citroën BX 4TC, ausgestellt im Conservatoire von Citroën
Seitenansicht des Citroën BX 4TC, ausgestellt im Conservatoire von Citroën

Frei nach Michail Gorbatschow muss es wohl heißen, wer zu spät kommt, den bestraft die Nachwelt mit Missachtung. Dabei war der scharfe BX für Citroën schon der zweite Versuch in der Gruppe B als Königsklasse des Rallye-Sports. Denn bereits 1983 stellte der Autobauer aus Frankreich den Visa 4×4 Milles Pistes auf die Räder. Der Visa war sogar das erste französische Auto mit Allradantrieb, das für die 1982 eingeführte neue Fahrzeugklasse entsteht. Doch der 1,4 Liter große Sauger des Visa steht von Anfang an völlig auf verlorenem Posten.

Denn praktisch die gesamte Konkurrenz in der Gruppe B vertraute auf aufgeladene Motoren. Nur British Leyland verzichtet beim MG Metro 6R4 ebenfalls auf einen Turbo, kann aber aus drei Litern Hubraum seine Kraft schöpfen. Dem Citroën stehen selbst großartig getunt weniger als 200 PS zur Verfügung. Die Wettbewerber hauchen mit entsprechendem Ladedruck ihren Fahrzeugen bald 400 und mehr Pferdestärken ein. Um den Gesamtsieg bei WM-Rallyes mit dem Visa niemand kämpfen. Trotzdem schicken die Franzosen regelmäßig Visa-Teams in der WM an den Start.

Erst 1985 entsteht der Citroën BX 4TC!

Natürlich würden die Techniker im Haus gerne ebenfalls ein richtig heißes Eisen schmieden. Doch der Autobauer gehört seit 1975 zu Peugeot. Die Konzernmutter tritt selbst mit dem — heute legendären — Peugeot 205 T16 im Rallye-Sport an. Peugeot gewinnt 1985 und 1986 die Herstellerwertung der Rallye-Weltmeisterschaft. Mit Timo Salonen und Juha Kankkunen sichern sich zeitgleich auch zwei Peugeot-Piloten den Fahrertitel. Und die Erfolge von Peugeot zeichnen sich bereits 1984 ab.

Ari Vatanen tritt zwar 1984 nur fünfmal mit dem Allrad 205 in der Weltmeisterschaft an. Doch auf zwei Ausfälle folgen drei Gesamtsiege. Allen in der Szene ist klar, dass ein Wachwechsel ansteht. Peugeot läuft Allrad-Pionier Audi den Rang ab. Im Schatten von Peugeot darf die Konzerntochter aufrüsten. Unter der Leitung von Sportchef Guy Verrier entsteht bei Citroën Competition der Citroën BX 4TC — mit 4-Radantrieb und Turbo-Charger. Bei der Entwicklung orientieren sich die Techniker erkennbar am Audi Quattro. Doch anders als der Sportler aus Ingolstadt bietet der Franzose auf vier Türen.

Der massive Heckflügel des Citroën BX 4TC Evo kennzeichnet auch den Franzosen als typisches Gruppe-B-Monster.
Der massive Heckflügel des Citroën BX 4TC Evo kennzeichnet auch den Franzosen als typisches Gruppe-B-Monster.

Doch der BX 4TC folgt einem Konzept, das in der Rallye-WM längst als Auslaufmodell gilt. Gut möglich, dass die ersten Pläne aus den Jahren 1982/83 stammen. Doch inzwischen zeigt der starke Auftritt von Peugeot, dass die Zukunft dem Mittelmotor gehört. Auch Lancia vertraut bei seinem ab Herbst 1985 eingesetzten Lancia Delta S4 auf ein Mittelmotor-Konzept. Vermutlich dachte auch Citroën Competition zunächst ähnlich. Bereits 1981 entstand zusammen mit Lotus der Citroën Visa Lotus. Doch der Über-Visa war schon mit Heckantrieb übergewichtig, unhandlich zu fahren und kam nie über den Status als Prototyp hinaus.

Mit dem Citroën BX 4TC soll alles besser werden!

Also entsteht diesmal ein stark überarbeiteter Ableger des BX. Wobei die Techniker mehrfach ins Serienregal greifen, um Kosten zu sparen. Der Vierzylinder mit einem Hubraum von 2.142 Kubikzentimetern (Bohrung 91,4 x Hub 81,6 Millimeter) stammt ursprünglich von Simca (Simca Type 180). Peugeot setzt den Motor nach der Übernahme von Simca-Chrysler im Peugeot 505 ein. Im BX 4TC unterstützt ein Turbolader (Modell K26) des Turbospezialisten KKK den Motor beim Atmen. Bei der Gemischaufbereitung vertraut Citroën auf die L-Jetronic von Bosch.

Doch der Motorraum des BX war für den Quereinbau von Motoren konzipiert. Um die Kraft des Motors über alle vier Räder auf die Straße zu bringen, montierten die Techniker den Motor längs. Damit das funktioniert, verlängerten sie den Vorderwagen um 28 Zentimeter. Gleichzeitig kappten sie den Radstand um 40 Zentimeter. Das erinnert an den Audi Quattro S1 und zeigt wie weit sich die Techniker in Paris am Vorbild Audi orientierten.

Unter der Motorhaube des Citroën BX 4TC Evo sitzt ein 2,1 Liter großer Vierzylinder. Er stammt ursprünglich von Simca.
Unter der Motorhaube des Citroën BX 4TC Evo sitzt ein 2,1 Liter großer Vierzylinder. Er stammt ursprünglich von Simca.

Der Turbolader und die Konstruktion der Ansaugwege erforderten es, den Motor um 15 Grad geneigt zu montieren. Anders passt die Antriebseinheit trotz der aufwendigen Änderungen am Fahrzeugkörper nicht unter die Motorhaube. Wie schon beim Audi sorgt die Anordnung des Motors für eine gewisse Frontlastigkeit. Durch den weit vorne liegenden Schwerpunkt untersteuert der sportliche BX trotz des zuschaltbaren Allradantriebs tendenziell. Ein hydropneumatisches Fahrwerk soll dieses Manko kompensieren.

Damit bleibt sich der Autobauer auch im Sport treu und vertraut wie in der Serie auf ein hydropneumatisches Fahrwerk. Das gefällt dem Marketing. Zusammen mit dem Motorblock zog auch die Hinterachse des Peugeot 505 in den sportlichen BX ein, um alle vier Räder antreiben zu können. Anders als Audi verzichtet Citroën jedoch auf ein zentrales Differenzial. Zudem ist der Allradantrieb nicht permanent. Im Normalbetrieb ist der Citroën BX 4TC nur mit Frontantrieb unterwegs.

Bei Bedarf lässt sich auch die Hinterachse in die Antriebsarbeit einbinden. Auf dem Niveau der Wettbewerber ist das alles nicht. Dafür hat das Getriebe immerhin bereits seine Rallye-Tauglichkeit bewiesen. Denn das Fünfganggetriebe stammt zwar ursprünglich aus dem Citroën SM, kommt aber auch im Peugeot 205 T16 zum Einsatz. Der gesamte Aufbau des BX 4TC zeigt, dass das Budget der Sportabteilung wohl überschaubar war. Unter diesen Umständen verdient die Umsetzung durchaus Respekt.

Zunächst entstehen 200 Serienmodelle!

Bei der Homologation des Sportlers geht kreativ Citroën vor. Im Herbst 1985 entstehen beim Karosseriebauer Heuliez, wo schon der Citroën M35 oder der Peugeot 205 T16 entstand, zunächst 200 üppig ausgestattet Exemplare seines neuen Sportgeräts. Damit sind die Voraussetzungen für die Homologation formal erfüllt. Die ausschließlich weiß lackierten Fahrzeuge will der Autobauer an Kunden verkaufen. In der „Serienversion“ leistet der Turbo-Motor genau 200 PS bei 5.250 Umdrehungen pro Minute. Das maximale Drehmoment von 294 Newtonmetern liegt bei 2.750 Umdrehungen pro Minute an.

Das Serienmodell des Citroën BX 4TC entstand beim Karosseriebauer Heuliez.
Das Serienmodell des Citroën BX 4TC entstand beim Karosseriebauer Heuliez.

Ein Erfolgsmodell ist der BX 4TC damit nicht. Denn Citroën verlangt für den nur in ausgewählten Ländern angebotenen Sportler satte 250.000 französische Francs. Das entsprach mehr als 80.000 DM oder gut 31.000 US-Dollar. Dafür gab es 1985 interessante Angebote. Deshalb stehen sich die BX 4TC die Reifen platt. Nur 86 Exemplare gehen über die Ladentheke. Obwohl Citroën den BX 4TC übrigens nicht offiziell in Deutschland anbot, gibt es mindestens ein Exemplar mit deutscher Zulassung.

Unmittelbar nach den Serienmodellen baut Citroën sofort 20 weitere Exemplare. Dabei nutzt der Autobauer die sogenannte 10-Prozent-Evolution, die eigentlich das Nachziehen von Maßnahmen der Modellpflege im Motorsport ermöglichen. Beim BX 4TC gerät die Modellpflege etwas umfangreicher. Unter der Motorhaube zieht ein Garret-Turbolader ein. Zudem wurde der Evolutions-Motor deutlich überarbeitet. Außerdem speckt Citroën Competition das Fahrzeug nochmals deutlich ab und optimiert das Fahrwerk.

Auch das Evo-Modell fährt hinterher!

Doch die Modifikationen erfordern Zeit, es kommt zu Verzögerungen. Darunter leidet das Testprogramm. Bei der Rallye Monte Carlo 1986, dem Start der WM-Saison, fehlt dem Citroën BX 4TC die Reife. Am Fahrzeug von Philippe Wambergue und Jean-Bernard Vieu streikt bereits in der ersten Wertungsprüfung das Fahrwerk. Wenig hilfreich ist auch, dass der zweite Pilot Jean-Claude Andruet seinen Boliden wenig später in der sechsten Prüfung in den Graben setzt. Auch beim zweiten WM-Lauf in Schweden bleibt der große Erfolg aus.

An einem Fahrzeug platzt der Motor. Der zweite BX mit Jean-Claude Andruet und Annick Peuvergne kommt immerhin ins Ziel. Doch der Rückstand von fast 24 Minuten auf die Sieger zeigt, wie chancenlos der neue Sportler ist. Zumal nur 1:25 Minuten hinter dem Gruppe-B-Boliden mit einem VW Golf GTI 16V schon der schnellste Vertreter der Gruppe A lauert. Für die Mannschaft von Citroën ist das Ergebnis ein ernstes Warnsignal. In den kommenden Wochen testet das Werksteam den BX nur bei französischen Rallyes.

Bei den WM-Läufen in Portugal, Kenia und auf Korsika tritt Citroën nicht an. Damit ist das Team nicht dabei, als die Gruppe B zahlreiche Gründe für ihr vorzeitiges Ende liefert. Bei der Acropolis Rally in Griechenland stehen schließlich sogar drei Fahrzeuge am Start. Doch alle drei Fahrzeuge fahren dem Feld zunächst hinterher, um dann vorzeitig auszufallen. Nach diesem erneuten Desaster zieht sich Citroën Competition aus der WM zurück. Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende!

Marktlage des Citroën BX 4TC heute

Die unverkauften Serienmodelle verschrottet der Autobauer schließlich. Denn sie erweisen sich nach dem Ende der Gruppe B als praktisch unverkäuflich. Für Experten gilt der Citroën BX 4 TC deshalb heute als die Blaue Mauritius unter den Gruppe-B-Fahrzeugen. Wohl auch, weil Citroën zeitweise Fahrzeuge zurückkaufte, um aus der Pflicht zur Bevorratung von Ersatzteilen rauszukommen. Es ist nicht ganz klar, wie viele der Fahrzeuge unter diesen Umständen „überlebten“. Kenner der Szene gehen von maximal 40 Exemplaren aus. Zwei weitere Exemplare stehen im Depot des Conservatoire von Citroën, wo ich den vergessen Boliden der Gruppe B treffen konnte.

Entsprechend selten tauchen Fahrzeuge auf dem Markt auf. Wer sein Fahrzeug frei verkauft, hängst meist ein Preisschild mit einem Betrag von 110.000 Euro an sein Fahrzeug. Im November 2019 tauchte zu diesem Preis beispielsweise ein Fahrzeug in Monaco auf. Bei Auktionen lässt sich dieser Preis in der Regel nicht erzielen.

Ausgewählte Auktionsergebnisse Citroën BX 4TC

  • 3. Februar 2017 — Fahrgestellnummer VF7XBXL0000XL3026 — Auktion auf der Retromobile in Paris — Zuschlag bei 63.798 €
  • 8. Februar 2019 — Fahrgestellnummer VF7XBXL0000XL3021 — Auktion auf der Retromobile in Paris — Zuschlag bei 58.408 €
  • 16./17. August 2019 — Fahrgestellnummer VF7XBXL0000XL0014 — Auktion in Pebble Beach — Zuschlag bei $61.600 (ca. 56.000 €)

Technische Daten des Citroën BX 4TC (Serienmodell) im Überblick:

  • 4-Zylinder-Turbo-Ottomotor (Simca Type 180)
  • Bohrung 91,4 x Hub 81,6 Millimeter
  • KKK-Abgasturbolader Modell K26
  • Einspritzanlage L-Jetronic von Bosch
  • 2.142 ccm Hubraum
  • 200 PS bei 5.250 Umdrehungen pro Minute maximale Leistung — Die Wettbewerbsversion verfügte über circa 380 PS.
  • 294 Newtonmeter maximales Drehmoment bei 2.750 Umdrehungen pro Minute
  • Manuelles 5-Gang-Getriebe
  • 220 km/h Höchstgeschwindigkeit
  • Beschleunigung 0 auf 100 km/h in 7,5 Sekunden
  • Zuschaltbarer Allradantrieb

Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Seitenansicht des Citroën BX 4TC, ausgestellt im Conservatoire von Citroën

Foto: Tom Schwede

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!