Sports Renault von 1984

Ende 1983 verschickte Renault Deutschland eine Pressemitteilung, um auf den Sports Renault in Amerika hinzuweisen. Der Pressemitteilung lag dieses Pressefoto bei. Heute gehört es zur Sammlung von Fabian P. Wiedl. – Foto: Renault - Sammlung Fabian P. Wiedl

Wer iRacing fährt, der kennt den „SCCA Spec Racer Ford“. Denn der offene Sportwagen ist der Einsteiger-Rennwagen dieser Motorsport-Simulation. Doch wer hätte gedacht, dass dieser Rennwagen als Sports Renault bei Renault/Jeep Sport entstand.

Pressefoto zum Sports Renault
Ende 1983 verschickte Renault Deutschland eine Pressemitteilung, um auf den Sports Renault in Amerika hinzuweisen. Der Pressemitteilung lag dieses Pressefoto bei. Heute gehört es zur Sammlung von Fabian P. Wiedl.

Freunde der Rennsportsimulation iRacing kennen den SCCA Spec Racer Ford (SCCA SRF). Der offene Sportwagen aus den Regionalmeisterschaften des Sports Car Club of America gehört zu den wenigen Fahrzeugen, die jeder iRacing-Pilot ohne Zusatzkosten fahren darf. Mit überschaubarer Leistung und moderaten Geschwindigkeiten eignet sich der SCCA SRF perfekt für die ersten Runden mit dieser Simulation, die besonders bei Motorsport-Profis beliebt ist. 

Was kaum jemand weiß, die Fahrzeugklasse SCCA SRF geht auf Renault zurück. Ende 1983 wies die Presseabteilung von Renault Deutschland sogar deutsche Journalisten auf das Debüt der damals noch Sports Renault genannten Fahrzeugklasse hin. Gut möglich, dass es damals in Brühl bei Köln auch Überlegungen gab, diese Klasse nach Europa zu holen. Was jedoch tatsächlich nie passierte. Doch auf die Frage, ob es diese Überlegungen gab, können sich Zeitzeugen bei der nächsten Gelegenheit schon mal freuen.

Motorsport ist teuer – vom Einstieg an!

Seit dem Debüt der Formel Junior 1957 gibt es immer wieder Versuche, die Kosten des Einstiegs zu senken. Weshalb, um die Kosten zu begrenzen, in der Formel Junior am Anfang die Bremsanlage zunächst von dem Auto stammen musste, das auch Motor und Getriebe stiftete. Renault schuf 1966 mit dem „Coupe Gordini“ für den Renault 8 Gordini den Urvater aller Markenpokale. Zwei Jahre später übertrug Renault das Prinzip „Markenpokal“ in Zusammenarbeit mit dem französischen Motorsportverband FFSA in den Formel-Sport.

Wobei in der Formel Renault „nur“ Motor und Getriebe vom R8 Gordini stammen mussten. Das Chassis konnten die Nachwuchspiloten wie schon in den zuvor etablierten Serien der Formel V und Formel Ford frei wählen. In den 1970er-Jahren sorgte Renault mit dem R5-Cup für Aufsehen. Später führten die Franzosen ihre Cup-Tradition mit der Alpine A310, dem Renault 21 sowie mehreren Generationen des Renault Clio fort. Und zwischendurch kooperierte Renault mit dem SCCA in Nordamerika, wobei der „Sports Renault“ entstand.

Doch der Reihe nach: Renault rettete AMC!

Um den „Sports Renault“ zu verstehen, ist etwas Automobil-Geschichte notwendig. Die American Motors Corporation (AMC) entstand 1954 aus der Fusion der Marken Nash und Hudson. Dieser Zusammenschluss war mit einem Volumen von 198 Millionen US-Dollar bis dahin die größte Fusion in der US-Geschichte. 16 Jahre später kaufte AMC die Kaiser Jeep Corporation. Doch kurze Zeit später geriet AMC in finanzielle Schwierigkeiten. Denn außer dem Jeep war die Produktpalette von AMC inzwischen fast unverkäuflich.

AMC Pacer am Straßenrand
Ein AMC Pacer parkt 1976 vor einem Haus in Seattle. Der ungewöhnliche US-Kleinwagen war ein Flop, der seinen Hersteller AMC in die Krise riß. (Foto: Author Seattle Municipal Archives from Seattle, WA, Creative Commons Attribution 2.0 Generic)

Der Versuch, mit dem AMC Pacer in der US-Kompaktklasse Fuß zu fassen, artete in ein Desaster aus. Zunächst entschied sich AMC spät, den eigentlich mit Frontantrieb geplanten Pacer als Hecktriebler zu bauen. Grund war, sich die Entwicklung eines neuen Getriebes zu sparen. Doch die Entscheidung ging zu Lasten des Kofferraum-Volumens, was Tester und Kunden später oft kritisieren sollten. Dann entschied sich General Motors gegen den Bau der von AMC bestellten Wankelmotoren.

AMC passte das bereits fertig entwickelte Fahrzeug hastig an hauseigene Motoren an. Statt 1973 kam der Pacer daher erst 1975 auf den Markt. Nach anfänglichen Erfolgen brachen die Verkäufe bereits im dritten Jahr dramatisch ein. AMC war endgültig ein Sanierungsfall. Der französische Staatsbetrieb Renault, der seine Fahrzeuge unmittelbar zuvor nicht in den USA anbot, stieg als Retter ein, um sich Zugang zum Markt in den USA zu sichern. Dazu liefen einige Renault-Modelle auch in den AMC-Fabriken vom Band.

Der Sports Renault war eine Idee des SCCA 

Unter der Regie von Renault gelang AMC mit dem Crossover AMC Eagle die Verluste zu reduzieren. Zudem verkauften sich die Modelle von Jeep weiter gut. Daher sah es ein paar Jahre danach aus, als ob Renault auf dem Weg zum Weltkonzern sei. Interessant, dass trotzdem Jeep oder AMC nie auf den Renault Formel-1-Boliden klebte. Dieses Motorsport-Engagement blieb immer „seulement Renault“. Von den damaligen Renault-Töchtern durfte neben externen Partnern nur der Autovermieter „europcar“ auf den F1-Rennwagen werben.

Jean-Pierre Jabouille 1979 beim Grand Prix von Frankreich auf dem Kurs von Dijon-Prenois
Jean-Pierre Jabouille 1979 beim Grand Prix von Frankreich auf dem Kurs von Dijon-Prenois. Das Rennen endete mit dem ersten Sieg eines Autos mit Abgasturbolader. Doch obwohl Renault in diesen Jahren AMC und Jeep führte, war nie Werbung für diese Marken auf den Formel-1-Rennwagen. (Foto: Renault)

Die Verantwortlichen des SCCA trieb bereits seit Anfang der 1980er-Jahre die Idee einer neuen Nachwuchsklasse um. SCCA-Direktor Ted Cronin sah Potenzial für eine kostengünstige Sportwagen-Klasse. Der SCCA versteht sich traditionell als Heimat von Hobby- und Nachwuchsrennfahrern. Daher betreibt der SCCA zahlreiche regionale Clubsport-Meisterschaften. Wer dort erfolgreich ist, der darf sich in landesweiten Final-Rennen beweisen. Das erinnert an die Clubsport-Organisation des ADAC bei uns in Deutschland.

Die CanAm-Serie fuhr in diesen Jahren mit verkleideten Formel-Rennwagen. Ein ähnlich aussehendes Fahrzeug schwebte dem SCCA als neues Sportgerät vor. Gleichzeitig war auch bei Renault/Jeep und AMC Motorsport immer ein Thema. In Roy Lunn, damals Präsident von „Renault/Jeep Sport“ fand Ted Cronin einen interessierten Partner. Das Ergebnis war eine echte Kooperation zwischen dem SCCA und „Renault/Jeep Sport“. Denn Renault war nicht nur ein Sponsor, sondern entwickelte für den SCCA gleich das ganze Fahrzeug.

Vic Elford war am Sports Renault beteiligt

Entwickler Roy Lunn orientierte sich an den europäischen Kollegen und griff ins Teilelager seines Arbeitgebers. Denn Motor und Getriebe sollten aus Kostengründen von Renault stammen. Die Sechszylinder von AMC waren zu schwer und zu teuer. Die Wahl fiel auf einen 1,7 Liter großen Vierzylinder aus der Renault 9/11-Modellreihe. Der 85 SAE-PS kräftige Motor des Typs „F2N 700/704“ trieb in Europa den Renault 9 GTX an. In den USA hieß das baugleiche Modell Renault Alliance.

Renault Alliance Cabrio
Der Renault R9 hieß in den USA Renault Alliance. Wobei Renault und seine Tochter AMC in Nordamerika sogar ein Cabrio des R9 anboten (Foto: Lebubu93 – Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported).

Der Vergasermotor zog zusammen mit seinem Fünfgang-Getriebe in den Rennwagen ein. Im „SCCA Spec Racer“, wie der Rennwagen beim SCCA bis heute offiziell heißt, sitzen sie allerdings anders als im Serienmodell an der Hinterachse. Rund um den Motor schneiderte Lunn einen Stahlrohrrahmen. Über diesen legte der ehemalige Aston Martin-Ingenieur und Ford GT 40-Entwickler einen ­­„Fiberglas-Körper“. Dieser zeige, so Renault 1983 in seiner Pressemitteilung, im Windkanal hervorragende aerodynamische Werte.

Technisch besteht die Karosserie des Rennwagens übrigens aus drei Teilen, um leichte und schnelle Reparaturen zu ermöglichen. Vic Elford übernahm die finale Abstimmung. Denn der ehemalige Rennfahrer plante nach dem Ende seiner aktiven Karriere ein Leben in den USA. Doch um eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, war ein Job in den USA notwendig. Auf Vermittlung von Gérard Larrousse, damals globaler Sportchef von Renault und damit der Vorgesetzte von Roy Lunn, landete Elford bei „Renault/Jeep Sport“.


„Sure, the need is there, but why Renault?”

In der Ankündigung schreibt Renault, „zunächst 200 Exemplare“ des neuen Rennwagens bauen zu wollen. Diese sollen in Livonia, Michigan bei „Renault/Jeep Sport“ entstehen. Als SCCA und Renault den neuen Rennwagen auf einer Veranstaltung in Atlanta offiziell vorstellen, unterschreiben innerhalb von nur drei Tagen 111 Rennfahrer einen Kaufvertrag. Denn mit einem Kaufpreis von weniger als 10.000 US-$, was damals etwas mehr als 25.000 Mark entspricht, war der neue Rennwagen preislich attraktiv. Dennoch musste sich der SCCA für seinen europäischen Partner rechtfertigen.

Das Magazin „SPORTSCAR“ schrieb zur Premiere im Januar 1984: „Sure, the need is there, but why Renault?“. Gleichwohl feierte der Rennwagen noch im gleichen Jahr im SCCA-Clubsport seine Rennpremiere. In den kommenden Jahren rennen die „Sports Renault“ in den regionalen SCCA-Serien sowie beim traditionellen „SCCA Runoff“ Landesfinale. Doch im November 1986 kommt Renault-Präsident Georges Besse bei einem Attentat ums Lebens. Terroristen sehen in Besse den Verantwortlichen für Massenentlassungen bei Renault.

Rückseite des Pressefotos zum Sports Renault
Die Rückseite des Pressefotos zum Sports Renault kündigt 200 Exemplare an. Für einen Rennwagen ist das eine stolze Stückzahl. (Quelle: Sammlung Fabian P. Wiedl)

Sein Nachfolger Raymond H. Lévy verabschiedet sich vom Geschäft in Nordamerika. Chrysler übernimmt im März 1987 von Renault 46,1% an AMC und findet die freien Aktionäre ab. Chrysler-Chef Lee Iacocca locken die Marke Jeep, das AMC-Händler-Netz sowie das von Renault geplante AMC-Werk im kanadischen Bramalea. Dies gilt damals als modernstes Autowerk der Welt. Chrysler übernimmt mit AMC den von Renault initiierten Jeep Grand Cherokee. Als dieser Anfang der 1990er-Jahre auf den Markt kommt, ist er sofort ein Erfolg. 

Das lange Leben des Sports Renault

Die Vereinbarung von Renault mit dem SCCA läuft ungeachtet des Verkaufs von AMC zunächst weiter. Wobei der Abnabelungsprozess bereits lief. Denn schon seit dem Ende der Saison 1985 baute nicht mehr Renault/Jeep Sport die Rennwagen. Unter der Regie des SCCA entstand im Herbst 1985 die „SCCA Enterprises“, die den Bau übernahm. Erst 1989 zog sich Renault offiziell zurück. Trotzdem rannten die jetzt offiziell „SCCA Spec Racer“ (SR) getauften Rennwagen zunächst weiter mit Technik von Renault.

Doch Chrysler stellte den R9-Ableger Renault Alliance nach der AMC-Übernahme 1987 praktisch sofort ein. Damit fehlte Nachschub an Motoren. Deshalb zog 1994 in den Motorraum des Rennwagens ein Motor und ein Getriebe aus dem Ford Escort ein. Aus dem „SR“ wurde damit der „SRF“ (Spec Racer Ford). Der SRF verwendet trotzdem immer noch die originalen Renault-Bremssättel, äußere CV-Gelenke und Achsschenkel. Erst seit gut 15 Jahren dürfen die Piloten optional einen Bremssattel von Wilwood einbauen. Zudem modifizierten die Verantwortlichen den Überrollbügel, der sich aus zu flach erwies, und die Stoßdämpfer.

SCCA National Championship Runoffs – Start SpecRacerFord
SCCA National Championship Runoffs 2010: Start der SpecRacerFord – Foto: Royalbroil (Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

2015 trat ein moderner 1,6-Liter Motor von Ford an die Stelle des ersten Ford-Aggregats mit 1,9 Litern Hubraum. SCCA-intern heißen die Fahrzeuge seitdem „Generation 3“ (SRF-GEN3). Doch nicht alle Piloten wechselten ihren Antrieb. In regionalen SCCA-Meisterschaften treten immer noch regelmäßig GEN2-Fahrzeuge und vereinzelt sogar GEN1-Fahrzeuge mit Renault-Motor an. 37 Jahre nach dem Debüt – auch wenn Renault in seiner Pressemitteilung von bis zu 500 Rennwagen pro Jahr sprach, konnte sich das 1984 wohl niemand vorstellen.

Technische Daten des „Sports Renault“:

  • Radstand: 2,34 Meter (92 Zoll)
  • Länge: 3,66 Meter (144 Zoll)
  • Höhe: 99,1 Zentimeter (39 Zoll)
  • Breite: 1,70 Meter (67 Zoll)
  • Spurweite: 1,44 Meter (56,5 Zoll) vorne, 1,46 Meter (57,5 Zoll)
  • Gewicht: 589,67 Kilogramm (1.300 Pfund) inklusive eines 81,6 Kilogramm (180 Pfund) schweren Piloten. Leichtere Piloten treten mit einem Ausgleichsgewicht an.
  • Motor: Renault Typ F2N 700/704
  • Bohrung / Hub: 81 Millimeter / 83,5 Millimeter; entspricht 1.721 ccm
  • Verdichtung: 10:1
  • Gemischaufbereitung: Vergaser
  • Leistung: 85 SAE bei 5.000 Umdrehungen pro Minute
  • Drehmoment: 135 Newtonmeter bei 3.250 Umdrehungen pro Minute

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!