Der Motorsport machte den Melkus RS 1000 möglich!
Mit dem Melkus RS 1000 entstand in der DDR ein Sportwagen, der sich auch vor westlicher Konkurrenz nicht verstecken musste. Wer einen Melkus fahren wollte, der hatte eine „rennsportliche Tätigkeit“ nachzuweisen. Mehr dazu im dritten Teil unser Serie „Motorsport in der DDR und im Ostblock“.
Meine erste „persönliche“ Begegnung mit dem Motorsport in der DDR hatte ich vor dem Fernseher. Es war in der ersten Hälfte der 1980er-Jahre. Ich war noch Schüler, lebte in einem Vorort von Kiel und gab mein Taschengeld überwiegend für „rallye racing“ und „motorsport aktuell“ aus. „auto, motor und sport“ kaufte mir alle 14 Tage mein Großvater. Die DDR spielte bei uns keine Rolle. Das Umfeld war konservativ. Die Meisten setzen selbst beim Sprechen DDR in Gänsefüßchen. Und das nicht nur, weil Axel Springer im Nachbarort ein Herrenhaus besaß. Wenn der Verleger vor Ort war, dann wohnten – die RAF war immer noch eine reale Bedrohung – Springers Personenschützer bei uns um Ort in einem Hotel.
Kurzum, die DDR war für mich weit weg – und kam plötzlich über das Kabelfernsehen in Haus!
Doch irgendwann kam die DDR bei sogar uns ins Haus. Denn in dem Neubaugebiet, wo wir seit 1981 wohnten, verlegte die Deutsche Post eines ihrer ersten Kabelnetze. Dieses war mit drei Programmen und einigen Radio-Sendern nicht ausgelastet. So speiste die Deutsche Post neben den zwei Programmen von „Danmarks Radio“ auch die beiden der DDR ein. Dadurch entdeckte ich zunächst die „Olsen Bande“ und dann den Motorsport in der DDR für. Denn an einem Sommer-Nachmittag zappte ich durch die sieben zur Verfügung stehenden Programme. Dabei landete ich in der Übertragung der Läufe um den „Pokal für Frieden und Freundschaft der sozialistischen Länder“. Denn das Fernsehen der DDR übertrug ab 1979 seinen Heimatlauf vom Schleizer Dreieck live im Fernsehen.
So sah ich das Rennen der Formel Easter sowie die Läufe für Tourenwagen und Sportwagen. Bei der Übertragung der Formel Easter war der Name Melkus allgegenwärtig. Denn Ulli Melkus war zu dieser Zeit einer der Spitzenpiloten des osteuropäischen Formel-Sports. Mehrfach wiesen die Kommentatoren auch auf die Erfolge seines Vaters Heinz hin. Und als dann die Sport- und Rennsportwagen zu ihrem Lauf antraten, rannte dort auch noch ein Auto, das den Namen Melkus trug. Ich versuchte in den kommenden Wochen und Monat mehr über diesen kleinen flachen Sportwagen zu erfahren. Das war im Westen – und ohne Internet – nicht einfach. Aber für Basisinfos reichte es. So wusste ich, dass der Melkus RS 1000 ein Mittelmotorsportwagen ist, den der Zweitakt-Motor des Wartburg antreibt.
Der Melkus RS 1000 entstand zum 20. Jahrestag der DDR!
Die Entwicklung des Melkus RS 1000 lag – offiziell – in den Händen einer Arbeitsgemeinschaft aus Vertretern des ADMV („Allgemeiner Deutscher Motorsport Verband“) mit Ingenieuren der TU und der Verkehrshochschule Dresden sowie Technikern des Automobilwerkes Eisenach und Designern der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Das war nur möglich, weil die „Kommission Automobilrennsport des Motorsportverbandes ADMV“ – die ASN der DDR – das Projekt unterstützte. Sie stellte im November 1968 bei der Staatsführung der DDR den Antrag zum Bau des Sportwagens. In der offiziellen Begründung des Antrags hieß es, dass der Sportwagen zu „Ehren des 20. Jahrestages der Gründung der DDR“ entstehen soll. Das überzeugte in Berlin offenbar, das Projekt bekam den amtlichen Seegen.
So entstand innerhalb weniger Monate der Sportwagen, den wir heute kennen. Bei der Entwicklung griffen die Techniker der Arbeitsgemeinschaft – wie bei ihren Rennwagen – auf Teile unterschiedlicher Ost-Fahrzeuge zurück. Der Wartburg 353 „stiftete“ den Motor, das Fahrwerk, die Räder und die Windschutzscheibe. Die Karosserie entstand im VEB Robur-Werke Zittau. Der Lkw-Hersteller fertigte das Dach und die Türen als Leichtmetall. Die Türen hingen an Türscharniere, die vom Skoda 1000 MB stammten. Die Front und das Heck des Sportlers entstanden aus glasfaserverstärktem Polyester. Die Montage fand bei Melkus in Dresden statt. Wer für 28.000 DDR-Mark einen der Sportwagen kaufen wollte, der musste zunächst eine „rennsportliche Tätigkeit“ nachweisen. Bis 1979 verließen trotzdem 101 Exemplare des Melkus RS 1000 die Werkstatt in Dresden.
All das erfuhr ich erst nach der Wende!
Obwohl mir bereits in den 1980er-Jahren auch im Westen ein Melkus RS 1000 begegnen sollte. Denn zwei oder drei Jahre – nach dem ich den Motorsport in der DDR im Fernsehen entdeckte – stand plötzlich ein Melkus RS 1000 auf dem Parkstreifen vor unserem Haus. Scheinbar besuchte jemand mit dem Sportwagen einen unserer Nachbarn. Ich fand nie heraus, wo der Fahrer des Melkus RS 1000 wirklich zu Gast war. Eine Theorie habe ich ja. Aber dann wäre der Sportwagen möglicherweise Teil einer Spionage-Geschichte. Denn im Haus gegenüber gab es eine Einliegerwohnung. Dort wohnte ein Offizier der Bundesmarine zur Untermiete, der oft Herrenbesuch hatte. Diese Form der Kameradschaft sorgte in der Nachbarschaft immer für reichlich Getuschel. War dort etwa Mitte der 1980er-Jahre ein Kundschafter des Friedens zu Besuch? Wohl eher nicht, denn auffälliger als ein Melkus hätte ein Auto aus der DDR wohl kaum sein können.
Die Rennen um den Pokal für Frieden und Freundschaft der sozialistischen Länder waren in der Regel gut besucht. Mehr als 100.000 Zuschauer an den Renntagen waren keine Seltenheit. Gefahren wurde in der DDR am Schleizer Dreieck. Dazu zählten Läufe in Kiew oder Minsk in der UdSSR, in Most oder Havirov in der ČSSR, in Poznan in Polen oder in Albena in Bulgarien zur Meisterschaft. Wer zur Mannschaft seiner Nation gehören wollte, der musste sich in der Regel erst in seiner Landesmeisterschaft qualifizieren. Nach dem Erfolg ihrer „Formel Easter“ beziehungsweise „Formel Vostock“ stellten die Verantwortlichen ihrer Monoposto-Klasse ab 1973 eine weitere Meisterschaft für Tourenwagen zur Seite. In den ersten Jahren galt in der Tourenwagen-Klasse der Ostblock-Meisterschaft ein Hubraumlimit von 1,6 Litern.
Der Melkus RS 1000 trat bei den Sport- und Rennsportwagen an!
Bei den Rennsportwagen – in der Sprache der Sporthoheit des Ostblocks Klasse C9 – traf der Melkus RS 1000 auf den tschechische MTX 2-01 bzw. MTX1107 oder den Estonia 18 aus der UdSSR sowie Eigenbauten anderer Piloten. Dazu zählte auch der TR-Spider, der Fabian und mich auf die Idee für diese Serie brachte. Doch während diese Rennwagen meist nur auf kleine beziehungsweise kleinste Stückzahlen kamen, war der Melkus RS 1000 fast schon ein Großserienmodell. Denn von 1969 bis 1979 entstanden 101 Exemplare des Sportwagen. Ihre Endmontage übernahm der Betrieb von Heinz Melkus in Dresden. Ursprünglich sollten nur 25 Exemplare entstehen, um die Regeln der Gruppe 4 der FIA / CSI zu erfüllen. Doch die Nachfrage war offensichtlich höher!
Wer einen Melkus kaufen wollte, der musste den „Nachweis einer rennsportartigen Tätigkeit“ erbringen – zumindest offiziell. Da Melkus in den ersten Jahren feste Zusagen für die benötigten Teile hatte, sind die frühen Melkus RS 1000 noch weitestgehend identisch. Später mussten die Macher des Projekts teilweise Einzelteile in Autowerkstätten zusammenkaufen, um weitere Fahrzeuge bauen zu können. Deshalb nahmen im Laufe der Zeit die Abweichungen zu. Auch bei der Motorisierung gab es Unterschiede. Einige Melkus bekamen den Lada-Motor aus dem WAS-2103, andere den Motor des Moskwitsch-412. Und ein Exemplar soll mit dem BMW M10 bestückt worden sein. Besonders um diesen Melkus RS 1000 ranken sich zahlreiche Mythen.
Wer gewann die Tourenwagen-Rennen im Pokal für Frieden und Freundschaft?
Als die Ostblock-Staaten ab 1973 auch für Tourenwagen einen Pokal für Frieden und Freundschaft ausschrieben, freuten sich vor allem die Piloten aus der ČSSR. Das lag sicherlich auch daran, dass sich die ČSSR anders als die DDR motorsportlich nicht völlig vom Westen isolierte. Die Tourenwagen von Skoda traten regelmäßig in der Tourenwagen-EM an. 1981 gewann Skoda sogar den EM-Titel. Daneben richtete die ČSSR regelmäßig Rennen der Tourenwagen-EM und der Interserie aus. Alles zusammen führte dazu, dass von 1973 bis 1989 insgesamt 14-mal ein Pilot aus der ČSSR die Tourenwagenwertung des Pokals für Frieden und Freundschaft gewann. Drei Titel gingen in die Sowjetunion. Einmal siegte ein Pilot aus Polen.
Die Wertung der Nationen gewannen die Tourenwagen-Piloten aus der ČSSR elfmal. Daneben war hier nur die UdSSR erfolgreich. Doch mit der politischen Wende Ende der 1980er-Jahre brach der Pokal zusammen. Schon 1990 gab es keine Wertung der Nationalmannschaften mehr. Ab 1991 war der ganze Pokal Geschichte. Der Motorsport in den – nun ehemaligen – Ostblock-Staaten öffnete sich dem Westen. Neben Ungarn, wo die Formel 1 schon 1986 das erste Mal antrat, veranstalteten inzwischen auch Russland und Aserbaidschan einen Grand Prix. Die Motorrad-Weltmeisterschaft trat darüber hinaus nach der Wende auch in Tschechien an.
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