Die Vorgänger des Peugeot 9X8: Vom Constantin über den CD SP66 und die Rennwagen von Welter Racing bis zum Peugeot 905 und Peugeot 908

Le Mans 1991 – Boxenstopp des Peugeot 905 von Pierre-Henri Raphanel und Yannick Dalmas. – Foto: Archiv AutoNatives.de

Dank seines PRV-Motors war Peugeot in den 1970er und 1980er-Jahren auch ohne eigenen Werkseinsatz regelmäßig in Le Mans vertreten. In der Spätphase der Gruppe C durfte das Werksteam erstmals bei den Sportwagen ausrücken und gewann zweimal in Le Mans. Von 2007 bis 2011 lieferte sich Peugeot in Le Mans mit Audi ein episches Duell und fügte seiner Vita einen weiteren Le Mans-Sieg hinzu. Insofern liegt die Messlatte für den neuen Peugeot hoch. Wir haben uns die Vorgänger des neuen Peugeot 9X8 angesehen.

Peugeot 905 beim Boxenstopp
Le Mans 1991 – Boxenstopp des Peugeot 905 von Pierre-Henri Raphanel und Yannick Dalmas. (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Mit dem neuen Peugeot 9X8 will Peugeot erneut um den Gesamtsieg bei den 24 Stunden von Le Mans kämpfen. Mit dem revolutionären Peugeot 9X8 nutzt Peugeot Sport die Möglichkeiten des aktuellen Hypercar-Reglements voll aus. Es wird spannend zu sehen, wie sich Peugeot Sport mit dem Rennwagen, der keinen klassischen Heckflügel hat, in der WM schlägt. Können die Franzosen mit diesem Konzept tatsächlich erneut nach dem Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans greifen? Schließlich waren bereits die 9X8-Vorläufer Peugeot 905 (1992 und 1993) sowie Peugeot 908 (2009) dreimal an der Sarthe erfolgreich.

Doch die Geschichte der Marke in Le Mans ist noch deutlich länger. Denn schon in den frühen 1950er-Jahren brachte Alexandre Constantin in einem selbstgebauten Sportwagen, der auf dem Peugeot 203 basierte, Peugeot nach Le Mans. 1966 und 1967 nutzte Charles Deutsch in seinem legendären CD SP66 einen Motor von Peugeot. Dank herausragender Aerodynamik erreichte dieser Sportwagen trotz eines nur 1,2-Liter großen Motors eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 250 Kilometern pro Stunde. Peugeot lieferte also mehrfach Motoren für Le Mans-Projekte, doch als Werk hatte die Marke dabei sicherlich noch keine echten Le Mans-Ambitionen.

Peugeot war am Ende der Gruppe C eine Macht!

1976 nutzte Welter Racing mit dem PRV im WM P76 ebenfalls einen Peugeot-Motor in Le Mans. Die vom Le Mans-Veranstalter ACO in Zusammenarbeit mit der IMSA definierte GTP-Klasse bot den richtigen Rahmen, um einen Rennmotor vom PRV abzuleiten. 1980 verpasste das Team mit dem WM P79/80 als Vierter nur knapp das Podium. Trotzdem schrieben Welter Racing und Peugeot wenige Jahre mit dem Projekt 400 später echte Motorsport-Geschichte. 1988 war der WM P88 auf der Hunaudiers-Geraden dank Peugeot-Power mit einem Tempo von 405 Kilometern pro Stunde unterwegs.

Welter PM79 bei den 24 Stunden von Le Mans 1979.
Der Welter PM79 von Welter Racing 1979 bei den 24 Stunden von Le Mans. Den Antrieb des Rennwagens übernahm der PRV von Peugeot. (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Kurze Zeit später griff Peugeot auch offiziell nach der Krohne des Sportwagen- und Langstreckensports. In der Endphase der Gruppe C trat Peugeot mit dem heute legendären Peugeot 905 erstmals mit einem Werksteam an der Sarthe an. Das war die Zeit, als die FISA unter der Regie des ehemaligen Ecclestone-Anwalts Max Mosley auf die Idee kam, den Sportwagen die gleichen 3,5-Liter-Saugmotoren wie der Formel 1 vorzuschreiben. Offiziell passierte dies unter dem Deckmantel der Kostenreduzierung. So sollten Autobauer mit einem Entwicklungsbudget sowohl in der Formel 1 als auch bei den Sportwagen fahren können.

Das Ende der Gruppe C hatte einen seltsamen Beigeschmack!

Doch statt „Kauf eins, nimm zwei“ galt damals wohl eher „Auftrag erledigt, Max“! Denn auch nach nun fast 30 Jahren sieht das Ende der Sportwagen-Weltmeisterschaft im Rückblick immer noch nach einem abgekarteten Spiel aus. Es war tatsächlich der Sargnagel für die zuvor blühende Sportwagen-Szene. Den Sportwagen-Ikonen Porsche und Jaguar fehlte damals das Geld, um einen passenden Motor zu entwickeln. Mercedes-Benz verabschiedete sich auf dem Umweg über Sauber in die Königsklasse. Bald fehlten der Sportwagen-WM die Teilnehmer. Die FISA schrieb 1993 keine Sportwagen-Weltmeisterschaft mehr aus.

Peugeot 905 Evo1 bis
Der Peugeot 905 Evo1 bis war der überragende Sportwagen der Saison 1992. (Foto: Peugeot)

Zuvor dominierte der Peugeot 905 die letzte Saison der traditionsreichen Sportwagen-Weltmeisterschaft! Unter der Regie des damaligen Peugeot-Sportchef Jean Todt fuhr Peugeot Talbot Sport überlegen zum Titel. Der Peugeot 905 Evo 1 bis gewann fünf der sechs WM-Läufe. Nur der Saisonauftakt, das 500-km-Rennen von Monza ging verloren als Geoff Lees und Hitoshi Ogawa mit dem Toyota TS010 siegten. Daher gewann Peugeot 1992 überlegen die Markenwertung. Die Peugeot-Piloten Yannick Dalmas und Derek Warwick, die damals dreimal zusammen siegreich waren, wurden Sportwagen-Fahrerweltmeister.

Der Weg zum Triumph mit dem Peugeot 905 war kurz!

Peugeot krönte damit einen steilen Aufstieg, der die Marke damals innerhalb von nur vier Jahren praktisch aus den Nichts an die Spitze des Sportwagen-Sports führte. Denn als der damalige Vorstandsvorsitzende Jean Boillot und Jean Todt am 23. November 1988 der Presse den Einstieg in die Sportwagen-WM verkündeten, war das eine Überraschung. Das Sportgerät Peugeot 905 präsentierte Peugeot Talbot Sport, wie sich die Sportabteilung des Autobauers damals nannte, rund 15 Monate später. Mit einem Chassis aus Kohlefaser war der 905 bei der Vorstellung im Frühjahr 1990 ein moderner Sportwagen.

Denn die Porsche 962C, die damals in der WM immer noch reichlich vertreten waren und sogar noch im Vorjahr in Dijon einen WM-Lauf gewannen, verfügten meist noch über Alu-Chassis. Bei der Form war der Peugeot ebenfalls seiner Zeit voraus. Denn die Entwickler um André de Cortanze (Projekteiter) und Gérard Welter verliehen dem 905 eine Frontpartie, die an Serienfahrzeuge von Peugeot erinnerte. Heute ist so eine Marketingmaßnahme in der LMDh-Klasse Standard. Als Peugeot im Sommer 1990 erste Tests fuhr, war das neu. Noch im gleichen Jahr trat Peugeot beim WM-Lauf in Montreal an, fiel allerdings aus.

Heck des Peugeot 905
Die Aerodynamik und das Chassis des Peugeot 905 entstanden in Zusammenarbeit mit dem Flugzeugbauer Dassault Aviation. (Foto: Tom Schwede)

Doch schon beim zweiten Versuch, dem Rennen in Mexico City gelang eine Zielankunft. Allerdings fuhr der neue Peugeot 905 als 13. an den Punkten vorbei. 1991 begann mit einer Überraschung. Denn Peugeot siegte beim Saisonauftakt in Suzuka. Doch bei den weiteren WM-Läufen fielen die 905 immer wieder aus. Dem Rennwagen fehlte noch die Reife, um auf der Langstrecke, die damals meist aus 430-Kilometer-Rennen bestand, zu bestehen. Doch nachdem zwei Peugeot 905 beim Saisonhöhepunkt in Le Mans aus der ersten Startreihe ins Rennen gingen, wusste jeder, wie schnell die Peugeot sein können.

1992 war der Peugeot 905 eine Macht!

Peugeot verbesserte den Rennwagen kontinuierlich. Nach der Pleite von Le Mans brachte Peugeot den verbesserten Peugeot 905 Evo1 bis an den Start, der über eine komplett überarbeitete Karosserie verfügte. Auch den V10-Saugmotor mit 3,5-Litern Hubraum überarbeitete Peugeot. Damit stellte sich der Erfolg ein. Denn von den verbleibenden vier Saisonläufen der Sportwagen-WM gewann Peugeot zwei, um schließlich die Saison 1992 zu dominieren. Inzwischen verstärkte der F1-Designer Enrique Scalabroni das Team. Mit Hilfe des Argentiniers entstand der weiterentwickelte Peugeot 905 Evo2.

Cockpit des Peugeot 905 Evo1 bis von 1993
Dieser Peugeot 905 Evo1 bis trat 1993 bei den 24 Stunden von Le Mans an. (Foto: Tom Schwede)

Wobei es sich beim Evo2 eigentlich eher um eine Neuentwicklung handelte. Peugeot ließ ihn schon Ende 1992 im Training von WM-Läufen fahren, trat in den Rennen jedoch immer mit dem bewährten Vorgänger an. Nach dem Ende der Sportwagen-WM beschränkte Peugeot sein Sportwagen-Programm 1993 auf die 24 Stunden von Le Mans. Auch dort trat Peugeot mit dem „alten“ 905 Evo1 an und fuhr ohne ersthafte Konkurrenz zum überlegenen Dreifachsieg. Es war der letzte Einsatz des Peugeot 905, der anschließend ins Museum fuhr. Wobei sein Motor ab 1994 in der Formel 1 antrat. Ein Schelm, wer Böses denkt!


Die Rückkehr mit dem Peugeot 908 HDi FAP!

Nach dem Debüt bei McLaren platzierte Peugeot seine F1-Motoren schon 1995 bei Jordan. 1998 sicherte sich Alain Prost für sein Team, das aus dem ehemaligen Ligier Team hervorging, die Motoren von Peugeot. Bei keinem der drei Teams gelang Peugeot der erhoffte Grand Prix-Sieg. In sieben Jahren in der Königsklasse sprangen nicht mehr als fünf zweite Plätze (McLaren 2x, Jordan 2x und Prost 1x) heraus. Ende 2000 verkaufte Peugeot die Restbestände der Motoren an den japanischen Motorenbauer Asiatech. Unter dessen Namen fanden sich die Triebwerke endgültig im Hinterfeld der Formel 1 wieder.

Peugeot in der Formel 1
Von 1995 bis 1997 rüstete Peugeot das Team von Eddie Jordan in der Formel 1 mit seinem V10 aus. (Foto: Peugeot – Archiv Wiedl)

Im Herbst 2006 kündigte Peugeot auf dem Pariser Automobilsalon die Rückkehr in die Sportwagen-Szene an. Nach dem Vorbild von Audi wollte Peugeot in Le Mans mit einem Diesel-Boliden rennen. Dafür entstand ein mächtiger V12 mit 5,5 Litern Hubraum. Schon 2007 sprang bei den 24 Stunden von Le Mans ein zweiter Platz heraus. Allerdings war ein Rückstand von zehn Runden auf den siegreichen Audi R10 V12 sicherlich nicht das, was sich Peugeot Sport erhofft hatte. Denn damit fuhr Audi noch in einer anderen Liga als der französische Herausforderer. Zumal Peugeot selbst nur eine Runde mehr als der schnellste private Pescarolo 01 schaffte.

Da half es auch nicht, dass Peugeot die (Europäische) Le Mans Series 2007 praktisch aus dem Stand für sich entscheiden konnte. Denn Langstrecken-Dominator Audi trat dort zu dieser Zeit gar nicht an. Die Ingolstädter konzentrierten sich auf die American Le Mans Series (ALMS). Insofern blieb Le Mans das einzige Aufeinandertreffen der Kontrahenten in der Saison 2007. Auch 2008 hingen die Trauben für Peugeot und den Peugeot 908 HDi FAP in Le Mans noch zu hoch. Wobei der erneut Zweitplatzierte Peugeot diesmal das Rennen mit dem wieder siegreichen Audi immerhin in der gleichen Runde beendete.

2009 gewann der Peugeot 908 HDi FAP endlich in Le Mans!

Auch in der ELMS, in der nun erstmals zwei Automobilhersteller um den Titel kämpften, besiegte Peugeot Audi bei vier der fünf Saisonläufen. Trotzdem gewann Audi sowohl bei den Fahrern als auch bei den Konstrukteuren den ELMS-Titel. Die schnelleren Peugeot fielen beim Saisonfinale in Silverstone beide aus, was Audi den Weg zu den Titeln eröffnete. Alle wissen, dass nicht Audi die Titel gewann sondern Peugeot diese verlor. Daher überrascht es auch nicht, dass Peugeot 2009 endlich der langersehnte Sieg in Le Mans gelang. Audi blieb mit dem neuen Audi R15 TDI nur der dritte Platz – hinter zwei Peugeot 908 HDi FAP.

Peugeot 908 HDI FAB von Oreca beim Le Mans Testtag 2011
Der Peugeot 908 HDI FAB von Oreca beim Le Mans Testtag 2011. Im 908 HDI FAB nutzte Peugeot einen 5,5 Liter großen V12-Dieselmotor. (Foto: Tom Schwede)

Peugeot reiste deshalb auch 2010 mit großen Hoffnungen nach Le Mans. Doch diesmal war Audi eine Macht und fuhr überlegen zum Dreifachsieg. Die Peugeot hielten dem Druck nicht Stand. Alle vier Peugeot 908 HDi FAP sahen keine Zielflagge. Neben drei Werkswagen setzte 2010 auch das Team Oreca Matmut 2010 einen Peugeot 908 HDi FAP in Le Mans ein. In den Händen von Oreca legte der 908 HDi FAP bis zu seinem Ausfall immerhin 373 Runden zurück. Damit hätte das Team in vielen Jahren Le Mans auch gewinnen können. Doch Audi hatte die Messlatte verschoben und fuhr 2010 mit dem R15 TDI prompt zum bis heute ungeschlagenen Distanzrekord.

2011 galt in Le Mans ein neues Motoren-Reglement. Statt mit bis zu 5,5 Litern Hubraum durften die Diesel-Triebwerke nun nur noch maximal 3,7 Liter groß sein. Peugeot und Audi entwickelten neue passende Triebwerke und Rennwagen. Wobei das Einsatzgerät der Franzosen jetzt schlicht Peugeot 908 hieß. Mit drei Werkswagen trat Peugeot in Le Mans an. Doch nach einem spannenden Rennen behielt Audi erneut die Oberhand. Da half es auch nicht, dass die vier Peugeot die Plätze zwei bis fünf belegten. Denn neben den Werkswagen trat Oreca erneut mit dem „alten“ Peugeot 908 HDi FAP an, den ein Restriktor bremste.

2012 zog Peugeot die Notbremse!

2011 blieb der vorerst letzte Auftritt von Peugeot in Le Mans. Denn im Frühjahr 2012 stellte der Vorstand des Autobauers das Le Mans-Programm mit sofortiger Wirkung ein. Erst 2023 wird Peugeot mit dem Peugeot 9X8 an die Sarthe zurückkehren. Es wird spannend, ob und wie schnell der französische Rennwagen an die Erfolge seiner Vorgänger anknüpfen kann.

Peugeot 908 in Le Mans
Alexander Wurz im Peugeot 908 mit dem 3,7-Liter Dieselmotorbeim Le Mans-Testtag 2011. Der Nachfolger des 908 HDi FAB rannte nur 2011 in Le Mans. Denn im Frühjahr 2012 beendete Peugeot sein Sportwagen-Programm überraschend. (Foto: Tom Schwede)

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Ein Beitrag von:

Fabian P. Wiedl interessiert sich seit Kindestagen für Motorsport und Automobile. Als Mitverfasser mehrerer Bücher, wovon insbesondere „Audi Typenkunde: Renn- und Rallyewagen von 1968 bis 2013“ zu erwähnen ist, greift Wiedl gern auf sein umfassendes Motorsport-Archiv zurück.

Tom Schwede wuchs in einem ausgesprochen automobilen Umfeld auf. Dies war ein optimaler Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Seit 2010 moderiert Tom bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland sowie dem angrenzenden Ausland.

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