Chris Amon galt als der personifizierte Pechvogel des Motorsports. Mario Andretti sagte einst über den Neuseeländer „Wenn Chris Bestatter geworden wäre, würden die Leute aufhören zu sterben.“ 1974 wagte der Rennfahrer das Abenteuer als Teamchef von Chris Amon Racing mit einem eigenen Auto, dem Amon AF101, in der Formel 1 zu starten.
Bis heute gilt der Chris Amon für Motorsport-Historiker als einer der besten Rennfahrer, der nie einen Grand Prix gewinnen konnte. Der Neuseeländer gewann 1966 im Ford GT40 die 24 Stunden von Le Mans und war anschließend Werksfahrer bei Ferrari, March und Matra. Dabei Amon trat nicht nur im Monoposto sondern auch im Sportwagen an. Doch während es im Sportwagen durch Erfolge zu feiern gab, blieb der Erfolg in der Königsklasse aus. Nur bei zwei nicht zur Weltmeisterschaft zählenden Rennen schlug Amon die Grand Prix-Stars. 1970 gewann der Neuseeländer mit einem March die in Silverstone ausgetragene BRDC International Trophy. Ein Jahr später fuhr Amon in Argentinien zum Sieg. Beides jedoch Rennen, bei denen neben Formel 1-Boliden auch Rennwagen der Formel 5000 antraten.
Als Matra sein Formel 1-Programm nach der Saison 1972 beendete, zog Chris Amon zu Techno weiter. Doch der kleine italienische Rennwagen-Hersteller zog sich am Ende der Europasaison vorzeitig aus der Königsklasse zurück. Amon für zwei Rennen in einen dritten Tyrrell. Gleichzeitig reifte der Entschluss, sich selbst als Rennstallbesitzer zu versuchen. Wie schon zuvor Jack Brabham, Bruce McLaren und John Surtees wollte auch Chris Amon in einem Fahrzeug sitzen, das seinen Namen trug. Später wagten übrigens auch Emerson Fittipaldi und Arturo Merzario diesen Schritt. Heute ist das kaum noch denkbar. Denn die Kosten der Formel 1 sind so explodiert, dass wohl kein heutiger Pilot in seiner Karriere das notwendige Vermögen zusammenfahren kann.
Chris Amon gründete 1973 Chris Amon Racing mit £100.000
Mit einem Startkapital von 100.000 britischen Pfund gründete Amon im November 1973 die Firma Chris Amon Racing. Zunächst plante der Teamchef den Aufbau eines Autos für die Formel 5000. Dahinter stand die Idee, mit dem Verkauf einiger Chassis für diese Serie, das Geld für einen Start in der Formel 1 zu verdienen. Ein ehrgeiziges Projekt, denn der Markt der Formel 5000 dominierten die großen Rennwagenbauer wie Lola, March und Chevron. Zudem boten auch Surtees und McLaren von ihren Formel-1-Fahrzeugen abgeleitete Fahrzeuge für die Formel 5000 an. Amon erkannte, dass die Idee, quasi aus dem Stand heraus einen Rennwagen in größeren Stückzahlen zu bauen, die Möglichkeiten seines jungen Unternehmens doch übersteigen würde.
Daher konzentrierte sich Chris Amon Racing bald doch auf die Formel 1. Gordon Fowell, den Teamchef Chris Amon bei Techno kennenlernte, entwarf das passende Auto. T.C. PROTOTYPES LIMITED, die Werkstatt von John Thompson, in der später für Brun Racing spezielle Porsche 962-Chassis für die Gruppe C entstehen sollten, übernahm den Aufbau des Rennwagens. Das Team Chris Amon Racing sollte sich auf den Einsatz beschränken. So eine Arbeitsteilung gab es in der Formel 1 immer wieder. In den 1970er und 1980er-Jahren beauftragten immer wieder Teams externe Designer und Spezialisten mit dem Entwurf und der Bau ihrer Formel 1-Boliden. So entwarf beispielsweise das Designbüro FLY Studio von Giacomo Caliri und Luigi Marmiroli unter anderem Rennwagen für Autodelta, Fittipaldi Automotive und ATS. Später bezog die BMS Scuderia Italia ihre Fahrzeuge im Wechsel von Dallara oder Lola.
Der Amon F101 von Chris Amon Racing war übergewichtig!
Durch den Quasi-Standard der Formel 1, bestehend aus einem Ford Cosworth DFV und einem Getriebe von Hewland, war der Bau eines passenden Rennwagens in den 1970er-Jahren – zumindest in der Theorie – einfach. Gordon Fowell entwarf das notwendige Monocoque aus Aluminium. Wer den Rennwagen heute betrachtet, der erkennt sofort, dass offensichtlich die Idee „Formel 5000“ bei den Planungen noch eine Rolle spielte. Denn der Wagen fiel – im Vergleich zu seinen Wettbewerbern – sehr massiv aus. Eine echte Innovation war die Lage des Fahrzeugstanks des Amon F101 getauften Fahrzeugs. Denn Fowell positionierte ihn als erster Designer zwischen dem Fahrer und dem Motor, um den Schwerpunkt abzusenken. Zuvor verfügten die Rennwagen oft über eine Batterie von Tanks, die rund um den Fahrer positioniert waren. Die Position des Tanks im Amon AF101 wurde schnell von anderen Teams kopiert.
Weniger erfolgreich war die Idee eines doppelten Frontflügels. Das Team Chris Amon Racing verwarf diese Idee bereits nach den ersten Testfahrten. Deshalb fährt der Amon AF101 auch heute bei Einsätzen im historischen Motorsport mit einem konventionellen Flügel. 1974 war der Frontflügel bei allen Einsätzen des Rennwagens eine Achillesferse. Denn die Struktur des Wagen war für den doppelten Flügel ausgelegt. Es war nicht das das einige Problem des Rennwagens. Denn der Amon F101 litt unter Vibrationen. Die Erschütterungen des Motors gingen ungedämpft ins Chassis über. Schon beim ersten Test in Goodwood verlor Pilot und Teamchef Chris Amon ein Rad. Später wiederholte sich dieses Malheur mehrmals.
Chris Amon Racing fehlte die Zeit, um den Amon AF101 reifen zu lassen!
Die Formel 1-Saison 1974 begann bereits im Januar mit zwei Rennen in Südamerika. Der Amon F101 war noch nicht einsatzbereit. Erst im April trat Chris Amon Racing in Silverstone bei einem nicht zur WM zählenden Rennen mit dem neuen Rennwagen an. Chris Amon gelang die zwar Qualifikation, doch der Neuseeländer verzichtete auf den Start. Als Reifenpartner wählte Amon die US-Marke Firestone. Ende April feierte der Amon AF101 beim Großen Preis von Spanien sein Renndebüt. Doch Chris Amon fiel nach 22 Runden mit einem Defekt aus. Wieder einmal verlor der Rennwagen ein Rad. Auf das folgende Rennen in Belgien verzichtete Chris Amon Racing.
Erst beim Großen Preis von Monaco kehrten Chris Amon Racing und der Amon AF101 in den Grand Prix-Zirkus zurück. In Monaco qualifizierte Amon seinen Rennwagen auf einem respektablen 20. Startplatz. Trotzdem verzichtete Chris Amon auf den Start. Der Rennfahrer und Teamchef fürchtete, dass die Probleme mit den Rädern noch nicht gelöst seien. Erst beim elften Saisonlauf, dem Großen Preis von Deutschland auf der Nordschleife des Nürburgrings kehrten Chris Amon Racing und der Amon AF101 in die WM zurück. Doch Larry Perkins, der nach einer Erkrankung des Teamchefs ins Cockpit sprang, verpasste den Sprung ins Starterfeld. Der Grand Prix-Debütant übernahm den Rennwagen erst nach dem ersten Training von seinem Teamchef. Sicherlich keine optimale Vorbereitung für ein Rennen auf der Nordschleife.
Gut vier Wochen später kehrte Chris Amon nochmals mit seinem Team und dem Amon AF101 in den Grand Prix-Zirkus zurück. In der Zwischenzeit zog sich Reifen-Lieferant Firestone aus dem Motorsport zurück. Das US-Unternehmen zog die Konsequenzen aus den in den letzten Jahren fast explosionsartig gestiegenen Kosten des Motorsport-Programms in der Formel 5000 und dem Grand-Prix-Sport. Beim Großen Preis von Italien verpasste der Neuseeländer die Qualifikation. Damit war das Startkapital der Firma Chris Amon Racing aufgebraucht. Chris Amon schloß sein Team, das bei den Rennen unter dem Namen Dalton-Amon International antrat. Im Rückblick sagte Chris Amon später einmal „Mein Auto war der einzige Rennwagen, der nie einen Cent Start- oder Preisgeld einfuhr.“
Alle Einsätze des Amon AF101 im Überblick:
07.04.1974 | BRDC International Trophy – Chris Amon qualifizierte den AF101 für den 28. Startplatz und verzichtete anschließend auf den Start. |
28.04.1974 | Großer Preis von Spanien in Jarama, 4. Lauf zur Automobil-Weltmeisterschaft – Chris Amon fuhr im Training auf den 24. Startplatz. Im Rennen fiel Amon nach 22 Runden und dem Verlust eines Rades aus. |
24. bis 26.04.1974 | Großer Preis von Monaco, 6. Lauf zur Automobil-Weltmeisterschaft – Chris Amon qualifizierte den Amon AF101 als 20 und zog seine Nennung dann zurück. |
02. bis 04.08.1974 | Großer Preis von Deutschland auf der Nordschleife des Nürburgrings, 11. Lauf zur Automobil-Weltmeisterschaft – Chris Amon übergab den Rennwagen nach dem 1. Training an Larry Perkins. Der Grand Prix-Neuling Perkins verpasste die Qualifikation. |
06. bis 08.09.1974 | Großer Preis von Italien in Monza, 13. Lauf zur Automobil-Weltmeisterschaft – mit dem 30. Platz in der Qualifikation verpasste Chris Amon die Qualifikation deutlich. |
Technische Daten des Amon AF101
Motor:
- Ford Cosworth DFV 90º V8 – als Mittelmotor längs eingebaut
- Motorgewicht 168 Kilo – Aluminiumblock und Zylinderkopf
- Hubraum 2.993 cm³
- Bohrung/Hub 85,7 mm / 64,8 mm
- Verdichtung 11,0:1
- Ventiltrieb 4 Ventile / Zylinder, DOHC zahnradgetriebene Nockenwelle
- Kraftstoffzufuhr Lucas Kraftstoffeinspritzung
- Schmierung Trockensumpfschmierung
- Leistung 465 PS / 347 kW bei 10.500 U/min (entspricht 155 PS/Liter)
Fahrwerk und Antrieb:
- Fahrwerk Aluminium-Monocoque mit volltragendem Motor
- Vorderradaufhängung Doppelquerlenker, Zugstangen-Schraubenfedern und Dämpfer, Stabilisator
- Hinterradaufhängung obere Querlenker, doppelte Unterlenker mit Längslenkern, Schraubenfedern über Dämpfer, Stabilisator
- Lenkung: Zahnstange und Ritzel
- Vordere Bremsen belüftete Scheiben
- Hintere Bremsen innenbelüftete Scheiben, innenliegend
- Getriebe Hewland FG 400 5-Gang-Schaltgetriebe
- Hinterradantrieb
Abmessungen:
- Radstand 2.540 mm
- Bereifung Firestone 9.7/21.0 – 13 vorne / 14.1/29.0 – 13 hinten
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